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17. Tag Grödner Joch bis Fedaiasee

Die Nordseite der Sella im Sonnenaufgang

Die Nordseite der Sella im Sonnenaufgang

Trotz Nebels und Morgennässe stehen wir heute früh auf, da wir einen sehr langen Tag vor uns haben. Das Stück von unserem Wäldchen hinunter zum eigentlichen Pass ist schnell erwandert. Das Joch sieht im Nebel gespenstisch aus, es ist noch nicht viel los. Die Seniorenwandergruppe von gestern macht sich gerade abmarschbereit. Vor der Tür hängt eine Karte des Sellastocks aus. Wir orientieren uns Pi mal Daumen. Eine Karte für diesen Wegabschnitt haben wir nicht; wir marschieren los an ein paar sehr ernsthaft aussehenden Bergsteigern mit schwerem Gerät vorbei. Nach ein paar hundert Metern auf dem Kamm hören wir Rotorenlärm, ein Hubschrauber taucht aus den Wolken keine 10 Meter über uns auf, um mit halsbrecherischem Tempo das Tal Richtung Osten hinunter im Nebel zu verschwinden. Das macht sicher so viel Spaß wie es gefährlich ausschaut.
Nachdem es ein wenig aufklart können wir das Grödner Joch und die Nordseite des Sella Stocks in ganzer Pracht bewundern. Wie wir da hochkommen sollen ist absolut nicht offensichtlich. Nach ein paar hundert Metern auf gleicher Höhe am Hang entlang tut sich aber das Val Settus auf, in dem der Weg in engen Serpentinen zunächst über Geröll und Schotter, später auf einem schönem Klettersteig hoch zur Pisciaduhütte führt. Während der obligatorischen Einkehr, die Hütten müssen ja auch was von Zeltwanderen haben, beobachten wir einen Mann, der scheinbar in einem Holzverschlag wohnt und sich mit dem Kehrbesen verdingt während er etwas raucht, das wie ein Kabelbrand riecht.
Klettersteig auf die Sella

Klettersteig auf die Sella

Über eine kleine Brücke geht es weiter in den Sellastock hinein und eine ganze Weile steil bergauf bis man oben auf dem Sellaplateau steht. Weit und breit grauer Fels und ringsherum die anderen Dolomitenstöcke. Fantastisches Wetter, großartige Aussicht. Der Piz Boe hat etwas auf seiner Spitze das aussieht wie eine gewaltige Werbetafel. Wir rätseln um was es sich dabei handeln könnte und einigen uns auf eine Radaranlage. (Erst jetzt beim Abtippen des Reisetagebuchs erfahre ich, daas es sich dabei um einen Telefon-Reflektor handelt.) Bis zur Boehütte geht es fast flach oder leicht bergab mit Ausnahme eines Steiges um einen Hügel herum. Die Hütte ist furchtbar überlaufen. Tagestouristen, die entweder nur bis hierher oder bis auf den Piz Boe wollen.
Die Silhouette der Menschenschlange, die sich den Kamm des Piz Buins hinaufzieht, bringt uns davon ab, dort heute hinaufzusteigen. Der Weg bis zur Pordoijochhütte wird unangenehm. Dort steht nämlich die Raumschiffartige Seilbahnstation, die die Menschen vom Pordoijoch auf die Sella hochschaufelt und die meisten scheinen, von dort zur Boehütte zum Mittagessen zu spazieren. Vom Joch geht es durch ein langes Geröllfeld bergab zum eigentlichen Pordoijoch, dem Pass. Da ist richtig viel Betrieb! Motoradkolonnen brummen durch die rechts und links mit Souvenirgeschäften gesäumte Passstraße, Reisebusse wohin man guckt. Muss ein beliebtes Ausflugsziel sein. Uns freut die Fülle an Gaststätten und wir kehren auf mehrere Pizzen in der nächstbesten ein. Nach den Knäckebroten von gestern eine schöne Abwechslung im kargen Speiseplan. Nachdem der Kellner sich aber weigert eine weitere Bestellung über eine Pizza aufzunehmen (entweder ist gleich Zapfenstreich oder es gibt keinen Pizzateig mehr), brechen wir wieder
Auf dem Sellastock

Auf dem Sellastock

auf und wandern an einer kleinen Kapelle vorbei hinauf zum Rifugio Sass. Bis dorthin ist noch eine ganze Menge Betrieb; zwischen dem Refugio Fredarola gleich dahinter und dem Fedaiasee aber Menschenleere. Als ich die Hütte betrete, um nach dem Weg zu fragen, bekomme ich bruchstückhaft mit das die Damen am Tresen sich gerade über X. Sonnenbrand ?la rubia? unterhalten, den sie wohl durch das Fenster gesehen haben. So beeindruckend ist der doch gar nicht.
Den Bindelweg bis zum Fedaiasee bringen wir schnell hinter uns, da man eh wegen der aufziehenden Wolken nicht viel sieht. Von der Marmolata ist alles oberhalb des Gletscherrandes in Wolken, vom Tal sieht man nur hin und wieder den Grund. Leider beginnt es auch noch zu regnen und zu gewittern. Hin und wieder sieht man aber durch den Nebel den Stausee und der kommt näher. Einmal jedoch, als gerade eine Nebelschwade vorbeigezogen ist, liegt da nicht der Stausee, sondern ein Mann pinkelt uns im vermeintlichen Sichtschutz des Nebels aus 20 Metern entgegen. Gehört zu einer Dreiergruppe in Tarnkleidung.
Fedaisee

Fedaisee

Wir verlassen den Bindelweg. Es geht in steilen, rutschigen Serpentinen ein paar hundert Meter bergab bis zum Stausee. Dort ist erfreulich wenig Betrieb und wir kehren nach den Strapazen erst einmal ein. Wir sitzen draußen und es regnet immer stärker. Wir beschließen, so lange einzukehren wie es regnet. Als es endlich aufklart kommen ein paar Männer und befestigen Kameras an einem Auto das sie über den Staudamm hin und her fahren. Sicher ein Werbevideo, in der Abendsonne strahlt alles golden. Wir überqueren den Staudamm und gehen auf der Südseite des Sees Richtung Fedaiapass. Weit und breit keine Möglichkeit ein Zelt aufzuschlagen! Also steigen wir ein Stückchen über die Skipiste hinter dem Pass ab und finden 10 Meter rechts davon einen annehmbaren Zeltplatz neben einem Bach. Einen Strauch in der Nähe erklären wir zum Wäschetrockenständer. Klappt aber eher leidlich. Beim Waschen im Bach fällt uns auf, dass der direkt vom Marmolatagletscher kommt und so kalt ist, dass einem die Füße taub werden wenn man länger als 10 Sekunden drin steht. Wir schlafen eher mäßig gut, da man auf dem schiefen Untergrund ständig gegen die Zeltwand rutscht. Trotz des Wetters und der Menge an Touristen war das heute im Nachhinein eine der schönsten Etappen auf dem Traumpfad bislang!


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